Wer muss was beweisen im Urkundenprozess?
von Rechtsanwalt Mathias Münch
Amtsrichter reiben sich teilweise noch immer verwundert die Augen, wenn ihnen im Wohnungsmietrecht eine Urkundenklage vorgelegt wird. Darf sich der Vermieter wegen vermeintlicher Mietrückstände – nur mittels Vorlage der Mietvertragsurkunde – in einem beschleunigten Verfahren einen Vollstreckungstitel beschaffen? Passt das zum sozialen Gedanken des Wohnungsmietrechts? Ja, sagt der BGH in ständiger Rechtsprechung. Das gilt prinzipiell für jeden Zahlungsanspruch: Auch Nachzahlungsbeträge aus Betriebskostenabrechnungen können im Urkundenverfahren verfolgt werden.
Der Urkundenprozess ist eine elegante Möglichkeit, einen sofort durch Urkunden beweisbaren Anspruch relativ schnell gerichtlich durchzusetzen. Andere Beweismittel wie Zeugenaussagen oder Sachverständigengutachten sind im Urkundenverfahren nicht zugelassen. Das Bestehen eines Mietvertrages und die Höhe der Miete lassen sich unproblematisch durch Vorlage des Vertrages oder einer schriftlichen Zustimmung zur Mieterhöhung belegen. In Beweisnot kann allerdings der Mieter kommen, wenn er seine Rechtsverteidigung auf Mängel an der Mietsache stützen möchte, die er zu beweisen hätte. Kaum ein Mangel wird sich durch Urkunden belegen lassen, wenn nicht der Vermieter Mängel oder eine Mietminderung schriftlich anerkannt hat. Im Regelfall wird das Gericht den Mieter mit seinem Mängeleinwand auf das Nachverfahren verweisen, dem Vermieter aber zunächst einen vorläufig vollstreckbaren Titel verschaffen. Dennoch steht der Mieter nicht schutzlos da: Obsiegt er im Nachverfahren, in dem er ebenfalls die Beweislast für die behaupteten Mängel und damit das Prozessrisiko trägt, kann er den Vermieter wegen etwaiger Vollstreckungsschäden in Regress nehmen.
Das OLG Düsseldorf hatte in einem gerade veröffentlichten Gewerbemietrechtsfall zu entscheiden, wer die Beweislast trägt, wenn der Mieter behauptet, ihm sei die Mietsache überhaupt nicht übergeben worden (Urteil vom 22.11.2011, Az. 24 U 2/11). Im Allgemeinen muss der Vermieter darlegen und beweisen, dass die Mietsache dem Mieter in vertragsgemäßem Zustand – also idR. mangelfrei – überlassen wurde. Im Urkundenprozess kann dieser Beweis z.B. durch ein Übergabeprotokoll geführt werden. Hat der Mieter wie in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall zunächst die ungeminderte Miete gezahlt, lässt dieses Verhalten auf die vorbehaltlose Annahme des Mietobjekts schließen. Hier genügt die Vorlage entsprechender Kontoauszüge. Das Gericht entschied: Eine vorbehaltlose Annahme liegt sogar dann vor, wenn die Miete vom Vermieter im Lastschriftverfahren eingezogen wurde. Einen etwaigen Einspruch oder Vorbehalt hätte der Mieter wiederum durch Urkunden nachweisen müssen. Lediglich offenkundige oder unbestrittene Tatsachen müssen nicht belegt werden.
Update vom 5.7.2014:
Ein Richter am Amtsgericht Pankow/Weißensee (Berlin) hat den Autor gerade darauf hingewiesen, dass eine Urkundenklage generell unzulässig ist, wenn eine Betriebskostenabrechnung im Wohnungsmietrecht eingeklagt wird. Leider falsch: Bis auf das LG Bochum vertritt diese – der BGH-Rechtsprechung widersprechende – Auffassung wohl kein anderes höheres Gericht mehr.
Veröffentlicht in: RDM-Newsletter, Ausgabe April 2012;
Das Grundeigentum Heft 9/2012, Beilage RDM-Kompakt, Mai 2012