Vergütung mehr als 100% über dem Üblichen – Wucher oder „wucherähnlich“?
Kurzmeldung
OLG Saarbrücken, Urteil vom 6.11.2014 – Az. 4 U 189/13
Liegt der vereinbarte Preis einer Werkleistung (auch Bauleistung) mehr als 100% über dem Üblichen, ist regelmäßig ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung anzunehmen. Der Vertrag kann dann sittenwidrig und damit nach § 138 BGB nichtig sein. Das entschied das OLG Saarbrücken am 6.11.2014, Az. 4 U 189/13.
Sittenwidrigkeit wegen Wuchers setzt voraus, dass nicht nur ein „auffälliges Missverhältnis“ zwischen der Werten der gegenseitigen Leistungen besteht, sondern darüber hinaus der davon Profitierende die Zwangslage, die wirtschaftliche Unerfahrenheit, eine Willensschwäche usw. ausgenutzt hat (§ 138 Abs. 2 BGB) und dadurch eine verwerfliche Gesinnung zutage tritt. In dem vom Oberlandesgericht Saarbrücken entschiedenen Fall konnte so etwas nicht festgestellt werden. Deshalb behalf sich das Gericht damit, dass auch ein „wucherähnliches“ Geschäft sittenwidrig sein kann. Wenig greifbar formulierte das Gericht, dass wenn der „Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig“ erscheint, er nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig ist. Solche subjektiven und/oder objektiven Aspekte lagen in dem hier entschiedenen Fall offenbar nicht vor. Insbesondere meinte das Gericht, dass der Wert der Werkleistung (Aufbringen von Werbefolien auf Linienbusse) nur schwer bestimmbar sei. Außerdem seien bei einem Kaufmann weniger strenge Maßstäbe anzulegen als bei einem Verbraucher.
Für Immobiliengeschäfte wurde kürzlich entschieden, dass ein Wohnungskaufvertrag bei einer Unterschreitung des Marktwertes um mehr als die Hälfte als Wucher sittenwidrig sein kann (OLG Oldenburg v. 2.10.2014 – 1 U 61/14), ebenso bei einem mehr als 100% über dem Marktwert liegenden Kaufpreis (Kammergericht v. 5.06.2012 – Az. 11 U 18/11). Sittenwidrig kann auch ein Einzelpreis innerhalb einer komplexeren Kalkulation sein, der 800-fach über dem üblichen Satz liegt (BGH v. 18.12.2008 – VII ZR 201/06).
Rechtsanwalt Mathias Münch
BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN, Berlin
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Wenn ich es richtig sehe, hat wohl der BGH wohl schon diesen Weg eröffnet:
(…) Ist das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so kann dies den Schluß auf die bewußte oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes rechtfertigen. Von einem solchermaßen groben Mißverhältnis, das den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung zuläßt, ist bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung ( )