Öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch des Nachbarn steht nur Eigentümern, nicht aber Mietern zu: OVG Lüneburg vom 29.12.2011 – 1 ME 212/11
von Rechtsanwalt Mathias Münch
Überlange Verfahrensdauer und langfristige Terminierungen zur mündlichen Verhandlung sind ein oft beklagtes Ärgernis von Rechtssuchenden, oft gerade vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dass es auch anders geht, bewies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, das sich in einem einstweiligen Anordnungsverfahren in zweiter Instanz zu einer Entscheidung „zwischen den Jahren“, nämlich am 29.12.2011, veranlasst sah.
Es ging um einen öffentlich-baurechtlichen Nachbarstreit zwischen Mietern einer Wohnsiedlung und einem benachbarten Asylbewerberheim. Die Mieter wandten sich gegen eine entsprechende Baugenehmigung für das benachbarte Grundstück, weil sie unter anderem Lärmbelästigungen befürchteten. In beiden Instanzen wurde ihnen der vorläufige Rechtsschutz versagt, da ihnen die Klagebefugnis fehlte. Nur Grundstückseigentümer können auf dem öffentlichen Baurecht fußende Abwehransprüche geltend machen, nicht aber Mieter, teilte das OVG Lüneburg in einer Presseerklärung am 02.01.2012 mit. Auch auf Art. 2 Abs. 2 GG – das Recht eines jeden auf körperliche Unversehrtheit – und den hierin verankerten Gesundheitsschutz können sich die Mieter nicht stützen, entschied das Gericht. Diese müssen sich an ihren Vermieter halten und sich mit den Mitteln des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts, etwa mit der Mietminderung, wehren.
Bereits früher war entschieden worden, dass nur der Inhaber eines umfassenden, mindestens eigentumsähnlichen Nutzungsrechts an dem Grundstück Abwehransprüche gegen die Baugenehmigung des Nachbarn haben könne, also nicht einmal der im Grundbuch eingetragene Wohnrechtsberechtigte. Kommt es allerdings später tatsächlich zu nicht unwesentlichen Lärmimmissionen, können auch Mieter direkt gegen den Nachbarn Ansprüche auf Unterlassung und ggf. finanzielle Ausgleichs- und Ersatzansprüche haben.
Veröffentlicht in: RDM-Newsletter, Ausgabe Januar 2012