Modernisierungsstopp per einstweiliger Verfügung? – LG Berlin setzt seinen Kurs fort
von Rechtsanwalt Mathias Münch
Erneut hat das Landgericht Berlin in zweiter Instanz eine einstweilige Verfügung zugunsten eines Mieters erlassen, der sich durch Modernisierungsarbeiten an einem Mietshaus gestört fühlte (Beschluss v. 1.3.2013 – 63 T 29/13). Der Richter meint, der Mieter sei in seinem Besitz an der Wohnung gestört, wenn „nicht lediglich unerhebliche Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen“ drohten. Der Vermieter hatte den Mietern den Anbau von Balkons angekündigt, wobei es ausdrücklich nicht um das Betreten der Wohnung durch Handwerker etc. ging. Auf die Wirksamkeit dieser Ankündigung und auf die Pflicht des Mieters, Modernisierungsmaßnahmen zu dulden soll es nach Auffassung der Richter nicht ankommen. Dies sei lediglich eine so genannte „petitorische Einwendung“, mit der der Vermieter im Besitzschutzverfahren nicht zu hören sei. Ob der Mieter zu Duldung verpflichtet ist, könne im Hauptsacheverfahren geprüft werden.
Ähnlich hatte ein Einzelrichter derselben Berufungskammer des LG Berlin bereits am 12.3.2012 (Az. 63 T 29/12) entschieden. Sogar Reparaturmaßnahmen am Gebäude soll der Mieter auf dem Wege der einstweiligen Verfügung stoppen können (LG Berlin, Beschluss v. 7.8.2012 – 63 T 118/12), so dass inzwischen von einer ständigen Rechtsprechung des LG Berlin gesprochen werden muss.
Die 63. Kammer des LG Berlin ist nach neuester Geschäftsverteilung nur noch für die früheren Bezirke Steglitz, Zehlendorf, Schöneberg, Pankow und Weißensee zuständig. Ob die anderen Berliner Berufungskammern die Auffassung der 63. Kammer teilen, ist noch nicht klar. In der juristischen Literatur ist der Weg der 63. Kammer teilweise kritisch (für Modernisierungen: Münch MietRB 2012, 254; für Instandsetzungen: Schach GE 2012, 1200), teilweise zustimmend kommentiert worden (Dötsch IMR 2012, 276).
Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass bei einer Modernisierung außerhalb der Mieterwohnung in jedem Fall vorab die Zustimmung des Mieters eingeholt werden und widrigenfalls der Mieter auf Duldung verklagt werden muss. Das gilt selbst für Instandsetzungen, die überhaupt erst nach dem ab 1.5.2013 geltenden Mietrecht angekündigt werden müssen. Im Ergebnis genügt im Zuständigkeitsbereich der 63. Kammer für Modernisierungen und Instandsetzungen die reine Ankündigung – wie vom Gesetzgeber vorgesehen – nicht mehr. Vielmehr ist ein Zustimmungsverfahren, ähnlich dem der Mieterhöhung nach dem Mietspiegel, erforderlich. Das kann nach meiner Auffassung nicht richtig sein, denn das Gesetz sagt in § 858 BGB, dass verbotene Eigenmacht nicht vorliegt, wenn die Besitzstörung gesetzlich gestattet ist. Demnach muss es auch im einstweiligen Verfügungsverfahren darauf ankommen, ob dem Vermieter die Arbeiten gesetzlich gestattet sind und der Mieter zur Duldung verpflichtet ist oder ob Härtegründe des Mieters entgegenstehen. Instandhaltung und Instandsetzung ist dem Vermieter nicht nur gesetzlich gestattet, sondern er ist hierzu sogar durch Mietvertrag und Gesetz (siehe nur die Pflichten nach §§ 9, 10 EnEV) verpflichtet.
Veröffentlicht in: Das Grundeigentum Heft 11/2013, Beilage RDM-Kompakt, Juni 2013