Kaufvertrag über Eigentumswohnung kann bei überhöhtem, „wucherähnlichem“ Kaufpreis sittenwidrig sein
von Rechtsanwalt Mathias Münch
Das Urteil des Kammergerichts vom 15.06.2012 (Az. 11 U 18/11) betrifft vor allem Wohnungs- und Grundstückseigentümer, aber auch Immobilienvermittler, Makler und Verwalter, soweit sie mit der Veräußerung der verwalteten Immobilien in Berührung kommen, indem sie z.B. als WEG-Verwalter ihre Zustimmung zur Veräußerung erteilen. Das Kammergericht entschied: Auch ein Kaufvertrag über Wohnungseigentum kann als wucherähnliches Rechtsgeschäft sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn ein „auffälliges Missverhältnis“ (§ 138 Abs. 2 BGB) zwischen dem Wert der Wohnung und dem Kaufpreis besteht. Ein solches auffälliges Missverhältnis ist bereits gegeben, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. BGH-Urteil v. 14.07.2004, XII ZR 352/00). In dem vom Kammergericht entschiedenen Fall war der Wert der knapp 33 m² großen Wohnung durch einen Gerichtssachverständigen auf 29.000 Euro beziffert worden, als Kaufpreis wurden jedoch 76.200 Euro vereinbart, also deutlich mehr als das Doppelte des sachverständig festgelegten Wertes.
Für die Bejahung der Sittenwidrigkeit muss zusätzlich zu dem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung noch ein subjektives Element hinzukommen. Das ist gegeben, wenn sich eine „verwerfliche Gesinnung“ des Begünstigten gezeigt hat, indem er etwa die schwächere Position seines Vertragspartners (Zwangslage, wirtschaftliche Unerfahrenheit, Willens- oder Verstandesschwäche) bewusst, also vorsätzlich zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Weitere Voraussetzung für das subjektive Tatbestandsmerkmal der verwerflichen Gesinnung ist, dass der Begünstigte das Missverhältnis einerseits und die Schwächeposition seines Gegenübers andererseits kennt.
Hier liegt die Darlegungslast nicht bei dem geschädigten Vertragspartner – vielmehr schließen die Gerichte bereits aus dem Missverhältnis selbst auf eine verwerfliche Gesinnung, so dass diese als gegeben vermutet wird. Dies soll aus dem Erfahrungssatz folgen, dass niemand ohne Not eine Leistung verspricht, die außer Verhältnis zu der Leistung steht, die er selbst erhält. Die tatsächliche Vermutung kann aber von dem Begünstigen erschüttert werden, wenn er besondere Umstände darlegt, die die vereinbarten Leistungen rechtfertigen.
In dem vorliegend entschiedenen Fall war der Wohnungskaufvertrag infolge der Sittenwidrigkeit nichtig und musste zurückabgewickelt werden. Dabei erhielten die Käufer allerdings nicht den vollen Kaufpreis zurück, sondern entsprechend der „Saldotheorie“ nur den Kaufpreis abzüglich der Nutzungsvorteile für die vorübergehende Selbstnutzung der Wohnung sowie abzüglich der erzielten Mieteinnahmen. Das Kammergericht hat die Revision zum BGH nicht zugelassen.
Veröffentlicht in: RDM-Newsletter, Ausgabe Juli 2012
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