Geltendmachung von Baumängeln am gemeinschaftlichen Eigentum
von Rechtsanwalt Mathias Münch
Eine viel diskutierte Problematik an der Schnittstelle des Baurechts zum Wohnungseigentumsrecht ist die Frage, wer gegenüber dem Bauträger Mängel am Gemeinschaftseigentum geltend machen kann und in welcher Zeit Gewährleistungsrechte verjähren.
Häufig sieht der Erwerbsvertrag vor, dass die Eigentumswohnung zunächst vom Bauträger errichtet werden soll. Dieser Fall unterliegt dem Bauwerkvertragsrecht, auch wenn ausdrücklich ein „Kaufvertrag“ abgeschlossen wird. Die Gewährleistungsrechte des ersten Erwerbers beschränken sich nicht auf die Eigentumswohnung selbst (Sondereigentum). Vielmehr kann jeder Ersterwerber vom Bauträger die mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentums verlangen. Das bestätigte mit einem kürzlich veröffentlichten, nunmehr rechtskräftigen Urteil das Berliner Kammergericht (Urteil v. 23.11.2010, 7 U 8/09).
Anstelle des einzelnen Erwerbers kann auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer „gemeinschaftsbezogene Rechte“, darunter auch Mängelbeseitigung, Kostenvorschuss oder Aufwendungsersatz an sich ziehen und den Verwalter mit der Geltendmachung beauftragen. Hierzu bedarf es eines Mehrheitsbeschlusses der Eigentümerversammlung. Das Kammergericht entschied weiter, dass trotz dieses An-sich-Ziehens von Mängelrechten durch die Gemeinschaft der einzelne Eigentümer berechtigt bleibt, dem Bauträger eine Frist zur Nacherfüllung (früher: „Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung“) zu setzen. Diese Fristsetzung ist erforderlich, wenn der Erwerber nach fruchtlosem Fristablauf vom Kauf zurücktreten oder die Wohnung im so genannten „großen Schadensersatz“ zurückgeben möchte. Jeder Erwerber bleibt also berechtigt, seine individuellen Ansprüche aus dem Erwerbsvertrag einschließlich seiner Rückabwicklungsrechte zu verfolgen, solange sie nicht mit den gemeinschaftsbezogenen Interessen der Wohnungseigentümer kollidieren, so die Urteilsbegründung.
Gewährleistungsansprüche bei Baumängeln verjähren bei BGB-Verträgen nach 5, bei VOB/B-Verträgen nach 4 Jahren seit der Abnahme, wenn vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Liegt die Abnahme der meisten Eigentümer länger zurück, kann die Gemeinschaft aber von dem so genannten Letzterwerber profitieren. Sind nämlich die Gewährleistungsansprüche des letzten Erwerbers noch nicht verjährt, beziehen sich dessen Rechte auf das gesamte Gemeinschaftseigentum.
Auch bei der Hemmung der Verjährung können die Gemeinschaft und einzelne Eigentümer voneinander profitieren: Die Verjährung wird nicht nur durch ein gerichtliches Vorgehen, sondern auch durch schwebende Verhandlungen gehemmt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass jeder Erwerber verhandelt: Verhandelt der Bauträger mit dem Verwalter oder einem anderen Bevollmächtigten der Gemeinschaft, nachdem diese die Gewährleistungsansprüche an sich gezogen hat, werden auch die Ansprüche des einzelnen Erwerbers hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums gehemmt (Kammergericht ebenda; der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde am 28.07.2011 zurückgewiesen – VII ZR 218/10).
Veröffentlicht in: Das Grundeigentum Heft 23/2011, Beilage RDM-Kompakt, Dezember 2011