Das Dach und alle tragenden Bauteile eines Gebäudes, das in Teil- und Wohnungseigentumseigentum aufgeteilt ist, gehören zum Gemeinschaftseigentum. Das gilt auch für die Dachkonstruktion einer Garage, die ansonsten dem Sondereigentum eines Wohnungseigentümers zugeordnet ist.
BVerfG v. 28.7.2014 – 1 BvR 1925/13
Ein verheerendes Urteil stellten die Karlsruher Verfassungsrichter dem Amtsgericht Euskirchen aus. Dort war ein Streit zwischen zwei Wohnungseigentümern von der falschen Abteilung entschieden worden und noch dazu derartig “rechtsfehlerhaft”, dass das Bundesverfassungsgericht das Willkürverbot (Art. 3 Abt. 1 GG) verletzt sah.
Beiden Parteien war jeweils zu Ihrer Eigentumswohnung eine Garage als Sondereigentum zugeordnet. Im Zuge vorgerichtlicher “Streitigkeiten” beschmierte ein Eigentümer ein zu beiden Garagen gehörendes Verblendstück mit Farbe. Der Schadensersatzklage des anderen Eigentümers wurde vom Amtsgericht stattgegeben. Was kann daran falsch sein?
Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum?
Schadensersatz für die Beschädigung einer Sache steht grundsätzlich dem Eigentümer zu. Ist ein Grundstück in Miteigentumsanteile geteilt (§ 8 Wohnungseigentumsgesetz), so steht nur das Sondereigentum an der Wohnung dem jeweiligen Eigentümer zu, das Gemeinschaftseigentum dagegen allen Eigentümern gemeinschaftlich. Für die Geltendmachung von Rechten am gemeinschaftlichen Eigentum ist die Eigentümergemeinschaft zuständig, nicht der einzelne Eigentümer.
Die Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum ist mitunter schwierig und Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen. Nach § 5 Abs. 2 WEG können die Teile eines Gebäudes, “die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind”, nicht zum Sondereigentum gehören. Die Dachkonstruktion und die tragenden Wände des Gebäudes gehören damit zwingend zum gemeinschaftlichen Eigentum. Dass die betroffene Dachverblendung Gemeinschaftseigentum ist, war für das Bundesverfassungsgericht derartig offensichtlich, dass es das Amtsgerichts-Urteil für “unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar” hielt. Im Ergebnis hätte also die Eigentümergemeinschaft klagen müssen.
Sonderzuständigkeit für WEG-Sachen
Das Amtsgericht hätte die Klage der Eigentümerin der betroffenen Garage nicht nur abweisen, sondern es eigentlich an die zuständige Abteilung abgeben müssen. Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, beinhaltet auch, dass WEG-Sachen von der zuständigen WEG-Abteilung entschieden werden und nicht von der Abteilung für allgemeine Zivilsachen. Eine WEG-Sache liegt in den in § 43 WEG beschriebenen Fällen vor, u.a. auch bei Streitigkeiten zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem einzelnen Wohnungseigentümer.
Dass er gar nicht zuständig ist, hatte der Amtsrichter erst nach der mündlichen Verhandlung herausgefunden. Hierzu das Bundesverfassungsgericht: “Die zu späte Verschaffung der erforderlichen Rechtskenntnisse berechtigt ein Gericht nicht, sehenden Auges falsche Entscheidungen zu treffen.” Deutlicher geht es nicht.
Rechtsanwalt Mathias Münch
BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN, Berlin
► Dieser Artikel bei Anwalt24.de.
► Dem Autor folgen bei Google+ und Twitter.
Permalink
Die Entscheidung des BVerfG ist leider genauso falsch.
Eine WEG-Sache hätte nur vorgelegen, wenn die Gemeinschaft geklagt hätte.
Die Klage des einzelnen Eigentümers war zwar wegen § 5 II WEG offensichtlich unbegründet. Eine WEG-Sache wurde sie dadurch aber nicht.
Permalink
Die Entscheidung lautet auf Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung an das Amtsgericht. Insofern ist die Entscheidung im Ergebnis schon richtig.
Aber das ist natürlich ein interessanter Gedanke: Sie meinen, eine WEG-Streitsache liegt nicht vor, wenn ein Eigentümer gegen den anderen auf Schadensersatz klagt? Streitigkeiten der Eigentümer untereinander können ja schon WEG-Sachen sein, § 43 Nr. 1 WEG. Das kann auch Schadensersatzklagen betreffen, wenn ein innerer Zusammenhang mit gemeinschaftsbezogenen Rechten und Pflichten besteht (BGH v. 23.4.1991 – VI ZR 222/90, NJW-RR 1991,907). Nicht gemeinschaftsbezogen sind rein nachbarrechtliche Ansprüche, z.B. wegen Beeinträchtigung des Sondereigentums durch einen anderen Eigentümer.
Ich meine, dass die Frage nicht lauten kann: wer hat geklagt, sondern dass es vielmehr auf den Gegenstand des Rechtsstreits ankommt. Vorliegend geht es um eine Kompensation für die Beschädigung von Gemeinschaftseigentum, die fälschlicherweise nicht von der Gemeinschaft geltend gemacht wird und genau so fälschlicherweise mit der Vorstellung, dass es sich um Sondereigentum handelt. Ich meine aber, dass der Gegenstand trotz der Fehlvorstellung der nicht aktivlegitimierten Klägerin objektiv bestimmt werden muss: Die Pflicht eines Miteigentümers, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum zu kompensieren, dürfte m.E. eine Pflicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis betreffen, also als WEG-Sache zu behandeln sein, auch wenn der Falsche, nämlich ein anderer Eigentümer, den Anspruch geltend macht. Was meinen Sie?
Permalink
Der Kl. hatte einen Anspruch wegen Beschädigung seines Sondereigentums geltend gemacht. Das ist keine WEG-Sache. Dass es in Wahrheit kein Sondereigentum war, macht die Klage unbegründet, aber nicht unzulässig. Man darf das nicht mit der Konstellation verwechseln, dass der Kl. irrig meint, Ansprüche der Gemeinschaft geltend machen zu dürfen.